Viertel-Facts

Fragwürdig, merkwürdig: Wo ging Stuttgart zum ersten Mal ein Licht auf? Auf welchem Platz rollten die Köpfe? Wie kamen Schellenturm und Armenhaus zu ihren Namen? Und was um alles in der Welt hatte Gottlieb Daimler bloß in der Rosenstraße zu suchen? Auf die Plätze, find es raus!

Hinweisplakette Wagnerwerkstatt von Wimpff & Söhne, © Stuttgart-Marketing GmbH, Sarah Schmid
Kutschenskandal: Wo Daimler Geschichte zum Rollen brachte.

Mit seinen noblen Kutschen war Wilhelm Wimpff & Söhne königlicher Hoflieferant für Wilhelm I. Der Wagenbauer belieferte auch die Luftschiffbau Zeppelin GmbH und den Industriellen Robert Bosch. Im Jahr 1886 besuchte Gottlieb Daimler Wimpffs Werkstatt in der Rosenstraße und orderte bei ihm eine Kutsche, die er nach Cannstatt liefern ließ. Der Wagenbauer ahnte damals nicht, dass seine Karosserie in die Geschichte eingehen sollte. Daimler stattete die Kutsche nämlich mit einem Motor aus und fuhr damit durch die Stadt. Für dieses erste vierrädrige Automobil der Welt bekam der Erfinder „Roßbolla“ – also Pferdeäpfel – von der aufgeregten Bevölkerung hinterhergeschmissen.

Wilhelmsplatz 09671 qd, © Stuttgart-Marketing GmbH, Martina Denker
Am Wilhelmsplatz: Zum Henker!

Im 21. Jahrhundert lassen die Einheimischen gerne ihren Tag in den Lokalen am Wilhelmsplatz ausklingen. Sehr viel unangenehmere Stunden verbrachten die Menschen dort in der Vergangenheit. So fanden am Wilhelmsplatz jahrhundertelang Hinrichtungen mit dem Schwert statt, bevor die Richtstätte 1811 auf die Feuerbacher Heide verlegt wurde. Die Hauptstätter Straße, die direkt am Wilhelmsplatz vorbeiführt, bezieht sich folglich nicht auf die Landeshauptstadt, sondern auf den Richtplatz, der hier vor dem damaligen Hauptstätter Tor lag. An die Enthauptungsstätte erinnert heute noch namentlich das jährliche „Henkersfest“. Bei der Open-Air-Sause fließen natürlich weder Blut noch Köpfe, sondern Kaltgetränke und reichlich gute Laune.

Nachtwächterbrunnen, © Stuttgart-Marketing GmbH, Sarah Schmid
Nachtwächter sei Dank: Es werde Licht!

Der Nachtwächterbrunnen hinter der Leonhardskirche erinnert an eine Profession, die es schon bei seiner Erbauung nicht mehr gab. Bis 1862 sorgten Nachtwächter für die Nachtruhe der Stuttgarter Bürger:innen. Besonders im Bohnenviertel und mit der dort eingefleischten Liebe zum Stammtisch dürfte das nicht immer eine einfache Aufgabe gewesen sein! Die Brunnenstatue stellt einen Mann mit Pelerine, Laterne, Rufhorn und Hellebarde da, der von einem Hund begleitet wird. Die Säule, auf der er steht, ist mit nachtaktiven Tieren wie Eulen und Fledermäusen verziert. Eine Besonderheit ist die Laterne, die der Nachtwächter in seiner Rechten hält. Sie war die erste elektrische Lichtquelle im öffentlichen Straßenraum Stuttgarts.

Das Armenhaus, © Stuttgart-Marketing GmbH, Sarah Schmid
Oldie-Alarm: das Armenhaus.

Klein und unscheinbar steht das „Armenhaus“ an der Ecke zum Wilhelmsplatz, während der Verkehr der Hauptstätter Straße an ihm vorbeizischt. Was man dem Gebäudezwerg nicht ansieht: Er ist nachweislich über 400 Jahre alt und diente als kurzfristige Herberge für mittellose Reisende, die durch das danebenstehende Hauptstätter Tor kamen und das „Pflastergeld“ nicht bezahlen konnten. Innerhalb weniger Tage mussten sie sich in der Stadt einen Mentor oder eine Arbeit suchen. Gelang ihnen das nicht, hatten sie die Stadt wieder zu verlassen. Das Häuschen lag bei seiner Erbauung an der Stadtgrenze und gehört daher mit den Gebäuden in der Weberstraße 2 und in der Richtstraße 3 zu den ältesten, erhaltenen Wohnhäusern der Stadt. Um das „Alte Armenhaus“ vor dem Verfall zu bewahren, hat der Verschönerungsverein Stuttgart e. V. beschlossen, das denkmalgeschützte Gebäude zu sanieren.

Schellenturm, © Stuttgart-Marketing GmbH, Sarah Schmid
Last Turm Standing: der Schellenturm.

In der Weberstraße steht ein alter, behäbiger Steinriese: Der ehemalige Kastkellereiturm ist der einzig erhaltene Turm der mittelalterlichen Stadtbefestigung. 1564 zum Schutz der Esslinger Vorstadt erbaut, wurde er zunächst als Lagerraum herrschaftlicher Güter genutzt. Seinen heutigen Namen – Schellenturm – erhielt er 1811, nachdem der ursprüngliche Schellenturm bei der Kanalstraße abgebrochen worden war. Ihren Namen haben beide Türme den Schellenwerkern zu verdanken – Gefangene, die öffentliche Dienste für die Stadt leisten und „im Außendienst“ an ihrer Kleidung zur Kennzeichnung Glöckchen tragen mussten. Auf schwäbisch: Schellen. Vermutlich haben die Schellenwerker sowohl den früheren als auch den heutigen Schellenturm mit erbaut. Bis auf den Stumpf zerstört, richtete man das Bauwerk nach dem Krieg wieder auf. Ende der 1970er Jahre finanzierten Geschäftsleute die Restaurierung des Turms und übergaben ihn 1980 der Öffentlichkeit. Seitdem geht es hier zünftig zu. Die „Weinstube zum Schellenturm“ sorgt für gemütliche Stunden im Bohnenviertel.