Villen, Parks und Panoramastraßen empfangen „oben“ am Bismarckturm, Weissenhof, Relen- und Killesberg sowie entlang der Lenz- und Mönchhalde. „Unten“ am Pragfriedhof, Nordbahnhof, auf der Prag und entlang der Heilbronner Straße geht es bodenständig zu. Mit der Nordbahnhofstraße als Hauptader und dem „Memories“ als Wohnzimmer für alle hat sich um die Eisenbahnersiedlung eine bunte Gemeinschaft niedergelassen. „Oben“ und „unten“ verändert der Bezirk immer wieder sein Antlitz, wie die „Weiße Stadt“ und das Projekt Rosenstein beweisen.
An den Höhen- und Hanglagen am Killesberg, rund um den Bismarckturm und entlang der Lenzhalde blicken seit dem 19. Jahrhundert neue und alte Villen auf die Innenstadt herab. Sie sind das Spiegelbild zur gegenüberliegenden Hanglage unterhalb der Uhlandshöhe. 1997 machte Thomas D das „Dach der Stadt“ bekannt: Mit „Killesberg Baby!“ setzte der Hip-Hopper der schicken Wohngegend im Stuttgarter Norden ein musikalisches Denkmal. Zehn Jahre später erhielt das besungene Viertel ein brandneues, repräsentatives Quartierszentrum. Mit dem Abriss des ehemaligen Messegeländes und dem Bau der „Weißen Stadt im Grünen“ entstand in direkter Nachbarschaft zum Killesbergpark die „Killesberghöhe“ samt Wohnungen, Büros und Geschäften. Fun Fact: Killes kommt vom keltischen Wort für Hügel („külle“) und bedeutet Berg. Killesberg heißt also Berg-Berg.
Einen Kontrast zu den Nord-Vierteln in luftiger Höhe bilden die Gewerbeflächen und Mietskasernen in den Vierteln der Prag. Im Areal zwischen dem alten und dem neuen Gleisbogen des Hauptbahnhofs drehte sich von Anfang an alles um die Eisenbahn. Die Heilbronner Straße – hieß einmal Bahnhofsstraße. Die Rundung des Pragfriedhofs – entspricht dem früheren Verlauf der Gäubahn. Das Eisenbahnerdörfle – ist eine Siedlung, die für Eisenbahner und ihre Familien gebaut wurde. Der Innere Nordbahnhof – war einst Bahngelände. Die Wagenhallen – dienten als Lokomotivschuppen. Heute ist diese Geschichte im Rückzug begriffen. Im Inneren Nordbahnhof fahren keine Züge mehr, auf der Prag leben nicht mehr ausschließlich Eisenbahnerfamilien. Ein Miteinander aus Kleingewerbe und Multikulti ist hier inzwischen zuhause. In der Nähe des Pragfriedhofs nutzen Kreative die ehemaligen Wagenhallen als Ateliers und haben das Areal zur alternativen Oase berufen.
Geradlinig zieht sich die Nordbahnhofstraße durch das Pragviertel. An ihrem südlichen Ende ermöglicht sie den Blick auf die Stuttgart-21-Baustelle, im Norden mündet sie am Löwentor in die viel befahrene Pragstraße, in der Mitte spielt sie ihren ureigenen, verkehrsberuhigten Charme aus. Hier schlägt das Herz des ehemaligen Eisenbahnerdörfle. Wenn die U-Bahn an der Station „Mittnachtstraße“ hält und ihre Feierabendkundschaft entlädt, füllt sich der Gehweg mit Menschen jeden Alters und aller Nationalitäten – Schüler und Schülerinnen, Studierende, Rentner und Renterinnen, Arbeiter in Blaumännern. Die angrenzende Mittnachtstraße dient als langgestreckter Quartiersplatz. Mit breitem Profil und zwei Baumreihen ist sie die hübscheste Straße auf der Prag. Kids toben herum, ältere Herrschaften diskutieren auf den Bänken und allerhand Sprachen vermischen sich zum Quartiersmix. Einmal im Jahr feiern die Bewohner und Bewohnerinnen hier das Internationale Straßenfest, vom „Haus 49“ initiiert. Dieses Stadtteilzentrum befindet sich weiter östlich, in der Mittnachtstraße Nummer… 18. Bei der Gründung 1995 lag es noch in der Nordbahnhofstraße 49, daher der Name „Haus 49“.
In der Nordbahnhofstraße 69 kamen die Anwohner:innen schon zusammen, als die Location noch „Prager Hof“ hieß. Heute trifft man sich im „Memories“ – und das ist gerne alles gleichzeitig: Kneipe, Wohnzimmer, Treffpunkt am Nordbahnhof. Hier finden Gäste mit den unterschiedlichsten Wurzeln zusammen. Egal, ob die Muttersprache türkisch, russisch oder schwäbisch ist, ein nettes Gespräch ergibt sich immer. Wenn die Rentner die Kneipe verlassen, werden sie von den Arbeitern und Berufstätigen abgelöst. Mit Spielkarten in der Hand und Schwarztee auf dem Tisch spielt sich das Leben im Sommer auf der Terrasse ab. Auch im Inneren kommt Stimmung auf, zum Beispiel, wenn im Hinterzimmer Fußball geschaut wird – keine Bundes-, sondern die türkische Liga!
In Zukunft: Rosenstein.
Zwischen Nord- und Hauptbahnhof erleben die Anwohner und Anwohnerinnen den Bau von Stuttgart 21 hautnah. Im Zuge des Rückbaus der Gleise werden 85 Hektar Fläche in zentraler Lage frei. 85 Hektar Platz für einen neuen Stadtteil, der bereits von seiner rosigen Zukunft träumt. Unter dem Namen Rosenstein ist Einiges geplant – unter anderem vier Viertel im Viertel: Die kreative Maker City im Umfeld der Wagenhallen wird die Interimsoper beherbergen und gehört zu den Projekten der Internationalen Bauausstellung IBA’27. Das Rosenstein- und das Europaquartier mit bis zu 7.000 neuen Wohnungen sollen im Fokus von nachhaltigen, innovativen und gemeinschaftlichen Wohnformen stehen. Wo im Gleisbogen bisher noch Züge in den Kopfbahnhof einfahren, wird der Gleisbogenpark die neuen und alten Quartiere verbinden. Auf seinen Grünflächen sollen Gleisbauwerke erhalten bleiben und an die ehemalige Bahnnutzung erinnern.
Die Weinberge der Mönchhalde ziehen sich bis in die Innenstadt hinein. Doch nicht nur Reben sorgen im Stuttgarter Norden für grüne Akzente: Von der Feuerbacher Heide über die prämierte Gartenarchitektur der „Roten Wand“ und der „Grünen Fuge“, dem beliebten Killesbergpark bis hin zum Wartberg und dem Leibfriedschen Garten prägen weitläufige Parkflächen den Bezirk. Sie alle sind Teil des 8 Kilometer langen Grünen U, das im Zuge der Internationalen Gartenbauausstellung 1993 realisiert wurde und bis in das Zentrum führt.